Der frühere Botschafter der Ukraine in Deutschland, Andrij Melnyk, hofft auf mehr Engagement der Bundesrepublik in der europäischen Verteidigungspolitik. "Es geht um die Erhöhung der Verteidigungsausgaben, denn ohne diesen Schritt wird es nicht möglich sein, die Sicherheit Europas zu sichern", sagte Melnyk den Sendern RTL und ntv am Freitag. "Vieles wird von Deutschland abhängen, die Bundesrepublik sollte hier eine führende Rolle übernehmen gleich nach der Wahl am Sonntag."
Nur wenn die Europäer neben ihrer wirtschaftlichen Macht künftig auch militärisch stärker würden, könnten sie nach Ansicht von Melnyk künftig mit den USA und Russland auf Augenhöhe verhandeln.
Bis dahin müsse die Ukraine aber alles tun, um die USA bei möglichen Gesprächen über ein Ende des russischen Angriffskrieges auf ihrer Seite zu halten. "Wir müssen einen Weg finden, wie wir mit Donald Trump und seinem Team jetzt verhandeln", sagte Melnyk.
Man brauche die USA. Man müsse aus einem "ganz pragmatischen Interesse" zusammen handeln und die USA nicht verprellen, so der ehemalige Botschafter in Deutschland. "Ganz im Gegenteil, wir müssen sie zurückgewinnen. Das ist das Gebot der Stunde."
Melnyk rät allerdings dazu, Trumps jüngste Äußerungen nicht überzubewerten. "Es ist eine Verhandlungstaktik der Amerikaner, so wie wir das wahrnehmen", sagte er. "Und manchmal klingt das wirklich schmerzhaft für uns und die Menschen sind geschockt, weil viele das auch nicht erwartet haben. Aber wir müssen hier einen kühlen Kopf behalten, die Nerven nicht verlieren."
Die Amtszeit des im Frühjahr 2019 gewählten ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenksyj endete formell am 20. Mai 2024. Trump hatte ihn daher als "Diktator" bezeichnet. Das aufgrund des russischen Angriffs ausgelöste Kriegsrecht in der Ukraine verbietet alle Wahlen. Eine ähnliche Regelung zum Aufschub von Wahlen im Kriegsfall sieht auch das deutsche Grundgesetz vor: Während eines Verteidigungsfalles ablaufende Wahlperioden enden nach Artikel 115h sechs Monate nach Beendigung des Verteidigungsfalles.
Trump hat zudem behauptet, die Ukraine hätte den Krieg begonnen. Russland hatte am 18. März 2014 die ukrainische Krim annektiert, am 13. April 2014 den Krieg im ostukrainischen Donbass begonnen und ihn am 24. Februar 2022 auf die gesamte Ukraine ausgeweitet.