Der Marburger Sozialpsychologe Ulrich Wagner befürchtet nach dem tödlichen Angriff von Aschaffenburg eine zunehmende Ausländerfeindlichkeit. "Die Taten in Aschaffenburg und an anderen Orten, und die politische Debatte darüber, fördern Ängste und Fremdenfeindlichkeit in der Gesellschaft", sagte er der "Rheinischen Post" (Freitagausgabe).
"Psychologisch ist das ein einfacher Lernmechanismus: Wir erleben wiederholt, dass Zuwanderung mit Gewalt in Zusammenhang gebracht wird und kommen zu dem Schluss, dass alle Zuwanderer gefährlich sind."
Wagner hob zugleich hervor: "Wenn wir uns Gewalttaten der vergangenen Monate ansehen, sind die meisten dieser Täter Menschen, die in einer völlig unsicheren Situation sind oder vor der Abschiebung stehen. Wenn Menschen ohne Perspektive über Monate in Gemeinschaftsunterkünften bleiben müssen und nicht in Arbeit kommen, kann das psychische Anfälligkeiten verstärken. Es ist daher wichtig, an die Ursachen heranzugehen. Viele Asyl-Fachleute sagen, die Verfahren müssen viel schneller gehen, damit die Betroffenen in ein geordnetes Leben kommen."
Er sagte zugleich: "Solche Taten lassen sich nicht vollständig verhindern. Auch nicht dadurch, dass die Politik Maßnahmen ankündigt, die nicht umsetzbar sind. Etwa Rückführungen in Länder, die die Menschen gar nicht zurücknehmen wollen."
Überdies wies der Wissenschaftler darauf hin: "Ein weiterer psychologischer Mechanismus ist der der Nachahmungstäter. Je häufiger man von solchen Taten liest, umso eher kopieren das andere. Aber die Probleme nicht zu diskutieren, wäre auch völlig falsch. Eine Lösung für dieses Dilemma gibt es nicht."