SPD-Chef Lars Klingbeil fordert Unions-Kanzlerkandidat Merz dazu auf, das Zustrombegrenzungsgesetz am Freitag nicht zur Abstimmung im Bundestag zu bringen. Merz habe die Chance, den Schaden an politischer Kultur, Land und Ansehen in seiner eigenen Partei zu reparieren. "Der erste richtige Schritt wäre, dieses Gesetz morgen zurückzuziehen", sagte Klingbeil der RTL/ntv-Redaktion.
Merz sei offenbar bereit, mit Rechtsextremen eine Mehrheit zu suchen.
Die SPD aber wolle weiter Gemeinsamkeiten und Mehrheiten in der demokratischen Mitte finden. "Aber Voraussetzung ist, dass Herr Merz garantiert, dass so etwas nicht noch mal passiert."
Man könne beispielsweise nicht sicher sein, dass Union und AfD gemeinsam Steuersenkungen für sehr reiche Bürger durchsetzen. Klingbeil wies daraufhin, dass auch Ex-Kanzlerin Merkel Kritik geäußert habe. "Ich bin der Bundeskanzlerin dankbar, dass sie so deutliche Worte auch gefunden hat." Merkel äußere sich nur, wenn ihr etwas wirklich wichtig sei. "Das zeigt - auch wenn sie im Ruhestand ist - sie ist eine gute Demokratin, der es um das Land geht."
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge warnte Merz ebenfalls eindringlich davor, erneut im Bundestag mit der AfD abzustimmen. "Mittwoch war der Tabubruch. Freitag wäre die Wiederholungstat", sagte sie der "Süddeutschen Zeitung" (Freitagausgabe).
Die Union will die Abgeordneten am Freitag über das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz abstimmen lassen, nachdem sie ab Mittwoch bereits zwei Anträge eingebracht hatte, von denen einer abgelehnt wurde und einer - der Fünf-Punkte-Plan von Friedrich Merz - mit Hilfe von AfD-Stimmen durchging.
Immer wieder habe sie am Mittwoch ungläubig in die Reihen der CDU geblickt, so Dröge. "Ich habe Unionsabgeordnete angeschaut in der Debatte, die ich lange kenne, und gedacht: Wirklich, du auch? Du stimmst auch mit?" In der Logik, in der Friedrich Merz gerade argumentiere, "kann er in der letzten Konsequenz kaum erklären, warum er nicht mit der AfD koalieren will", sagte Dröge.
Laut der "Süddeutschen Zeitung" gibt es intensive Versuche, Merz noch von der Abstimmung abzubringen. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) wird demnach dabei in einer wichtigen Vermittlerrolle gesehen. Immer stärker stellen SPD und Grüne in Frage, ob sie im Fall der Fälle überhaupt noch mit der Union koalieren und Merz zum Kanzler wählen könnten.
"So überfordert Olaf Scholz in der geopolitischen Lage auch war: Was Merz gemacht hat, nach diesem Wortbruch, nach dieser Kopflosigkeit: Dieser Mann darf auf keinen Fall mehr Kanzler werden", sagte der Grünen-Politiker Anton Hofreiter der SZ.
Der frühere SPD-Chef Franz Müntefering sagte der SZ: "Die Frage ist, ob das Land verrückt genug ist, sich so einen Kanzler zu wählen." Merz habe den Vorstoß, auch Mehrheiten mit Stimmen der AfD in Kauf zu nehmen, aus reiner Eitelkeit gemacht. "Er wusste, da gibt es einen Augenblick, da kann er ein bisschen Wind machen."
Das sei weder taktisch noch strategisch überzeugend. "Wirklich dilettantisch, dilettantisch", meinte Müntefering. "Das wäre der erste Kanzler, der weder Bürgermeister noch Oberbürgermeister oder Landrat noch Ministerpräsident oder Minister war. Er kann das überhaupt nicht."