Der Übergangsregierungschef von Bangladesch, Muhammad Yunus, besteht auf einem Gerichtsverfahren wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen die frühere Machthaberin Sheikh Hasina Wajed. Notfalls könne das auch in Abwesenheit der nach Indien geflohenen ehemaligen Premierministerin geschehen, sagte Yunus dem britischen Fernsehsender Sky News.
"Es ist keine Frage, ob der Prozess stattfindet - er wird stattfinden -, sondern lediglich, ob er in ihrer Abwesenheit oder Anwesenheit vollzogen wird", so Yunus. Das sei aber auch von Indien und dem internationalen Recht abhängig.
Auf Auslieferungsgesuche habe es bisher jedoch keine Antworten gegeben.
Sheikh Hasina war vergangenen Sommer nach landesweiten Protesten, bei denen nach UN-Schätzungen etwa 1.400 Menschen getötet wurden, ins Nachbarland Indien geflohen. In der Folge wurde ein Netzwerk von circa 800 geheimen mutmaßlichen Foltergefängnissen aufgedeckt, mit welchen politische Gegner der damaligen Regierung bekämpft worden sein sollen. Der Ökonom und Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus führt seit August die Übergangsregierung. Wahlen werden für den kommenden Dezember angestrebt.
Der Prozess solle nicht nur die Ex-Machthaberin umfassen, so der derzeitige Regierungschef. "Jeder" sei involviert gewesen. "Die ganze Regierung war beteiligt. Man kann nicht unterscheiden, wer enthusiastisch dabei war, wer nur Befehle befolgt hat und wer trotz eigener Zweifel diese Taten ausgeführt hat."
Zugleich dämpfte Yunus die Erwartungen an die Ergebnisse und die Geschwindigkeit des Prozesses: "Manche werden bestraft werden, manche Verfahren werden bis zur Wahl noch laufen, und manche wird man nicht finden können."
Darüber hinaus laufen seitens Bangladeschs Ermittlungen wegen Korruption gegen das Umfeld der ehemaligen Machthaberin. Anschuldigungen gibt es unter anderem gegen die britische Labour-Abgeordnete Tulip Siddiq, die Nichte von Sheikh Hasina. Siddiq trat nach Bekanntwerden der Anschuldigungen von ihrem Posten als Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium zurück, streitet jedoch alle Anschuldigungen ab.