Nach dem Anschlag von München mit zwei Todesopfern will die Gewerkschaftsbewegung weiterhin zu Demonstrationen und Kundgebungen aufrufen. "Nicht mehr streiken - das ist keine Option", sagte Yasmin Fahimi, Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), der "Süddeutschen Zeitung" (Donnerstagausgabe). "Wir lassen uns nicht einschüchtern. Das sind wir auch den Opfern schuldig." Am vergangenen Donnerstag war ein Mann aus Afghanistan mit seinem Auto in einen Demonstrationszug der Gewerkschaft Verdi gefahren, ein zweijähriges Kind und seine Mutter starben.
38 weitere Menschen wurden teils schwer verletzt. Das Mitgefühl mit den Opfern sei riesig, sagte Fahimi. "Aber wir verspüren auch - mehr denn je - den Auftrag, weiterzukämpfen." Die DGB-Chefin sagte, die Gewerkschaften täten gemeinsam mit der Polizei alles, um bei Veranstaltungen die Sicherheit der Teilnehmer zu gewährleisten. "Dazu gehört auch, die aktuellen Sicherheitskonzepte zu überprüfen." Fahimi warnte vor einer "Instrumentalisierung dieses schrecklichen Verbrechens durch rechte Kräfte". Unter den Opfern und Verletzten seien auch Menschen mit Migrationsgeschichte.
"Einen ausländerfeindlichen Kurs werden die Gewerkschaften niemals mittragen", erklärte sie. Mit Blick auf die Wirtschaftskrise sagte Fahimi, die nächsten zwei bis fünf Jahre seien entscheidend für die Frage, ob Deutschland eine starke Volkswirtschaft bleibe. "Deshalb kommt es auf die nächste Bundesregierung an. Sie muss im Eiltempo eine Investitionsoffensive starten, für eine leistungsfähige Infrastruktur in unserem Land, für eine bessere Daseinsvorsorge, und damit die Wirtschaft wieder wächst", forderte Fahimi. Nötig seien gezielte Prämien für Unternehmen, die in den Standort investieren und die verbindlich zusagen, vor allem in Deutschland Arbeitsplätze zu erhalten, so die DGB-Chefin. Um diese Investitionen zu ermöglichen, müsse die Schuldenbremse gelockert werden.
Die Kritik der FDP, eine solche Reform führe zu höheren Sozialausgaben, wies Fahimi zurück. "Es geht nur um Investitionen in die Dinge, von denen unser zukünftiger Wohlstand abhängt." Weiter sagte Fahimi, sie sehne sich nicht danach, dass die FDP "mit diesem Führungspersonal" wieder Teil einer Bundesregierung wird. "Ich glaube, die sind gut beraten, über den Kern ihres sozialliberalen Politikangebots noch mal neu nachzudenken." Im vergangenen Jahr verzeichneten die DGB-Gewerkschaften nach Angaben Fahimis einen Rückgang um knapp 100.000 auf nun 5,58 Millionen Mitglieder. Dies liege daran, dass viele Arbeitnehmer in Rente gingen, erklärte sie. Eine weitere Ursache sei der Strukturwandel in der Wirtschaft.