Herr Cujé, die Zahl der Firmeninsolvenzen ist im ersten Halbjahr 2024 drastisch gestiegen – um 30 % im Vergleich zum Vorjahr. Ein Hauptgrund dafür ist die schlechte Zahlungsmoral, da nur noch 33 % der Rechnungen pünktlich beglichen werden. Welche Strategien empfehlen Sie mittelständischen Unternehmen, um sich gegen solche Liquiditätsrisiken zu wappnen und finanziell widerstandsfähiger zu werden?
Zunächst sollte man unterscheiden, ob man Produkte liefert oder Dienstleistungen erbringt. Als Unternehmensberater liefere ich eine Dienstleistung. Gerade bei Firmen in Krisensituationen besteht das Risiko der Zahlungsunfähigkeit. Dieses Risiko umgehe ich mit einer Anzahlung. Zu empfehlen ist auch der Vertragsabschluss mit dem Unternehmer statt mit der Firma. Damit steht der Unternehmer in der Haftung.
Auch Handwerker haben dieses Problem, hier in der Regel mit Privatleuten. Bekanntlich ist es recht schwierig, einen Handwerker zu bekommen. Eine Anzahlung kann hier motivieren.
Eine Bonitätsprüfung bei Privatleuten ist meistens nicht durchführbar, bei Firmen jedoch durchaus – nämlich über Auskunfteien wie Creditreform oder Bürgel. Ich empfehle dies vor jedem neuen Auftrag, denn die Bonität kann sich schnell verschlechtern. Leider ist die Einschätzung der Auskunfteien nicht immer verlässlich. Ich habe Fälle erlebt, in denen Unternehmen praktisch pleite waren, aber weiterhin eine gute Bonität bescheinigt bekamen. Auf jeden Fall sollte man seine Kunden kennen oder besser kennenlernen und genau auf Aussagen achten, die Hinweise auf Risiken geben.
Auch hier ist eine Anzahlung immer zu empfehlen. Je nach Höhe der Anzahlung kann man von seiner Bank eine Anzahlungsgarantie zugunsten des Kunden abgeben lassen. Liefert man seinem Kunden beispielsweise eine Maschine oder gar eine Anlage, sollte man die Zahlungskonditionen so vereinbaren, dass man pro rata Lieferung und Leistung Teilzahlungen erhält. Auch bei Bauleistungen ist dies zu empfehlen.
Bei der Lieferung von Produkten sollte auf jeden Fall ein Eigentumsvorbehalt vertraglich vereinbart werden. Bei Produktlieferungen ist in der Regel die Erbringung der Leistung, nämlich die Lieferung, nachweisbar. Somit entsteht die Forderung mit der Lieferung. Bei Dienstleistungen kann es eher zu Einwänden kommen.
Ein sehr praktikabler Weg zur Vermeidung von Ausfällen ist die Finanzierung von Forderungen durch Factoring. Die Factoring-Firma übernimmt nicht nur eine Bonitätskontrolle, sondern auch das Debitorenmanagement, einschließlich der Forderungseintreibung im Falle von Schwierigkeiten. Sobald die Forderung ins Factoring geht, erhält man den Rechnungsgegenwert. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Forderungen aus der Bilanz verschwinden. Die Kassenposition wird umgehend erhöht, das Finanzierungserfordernis über einen Kontokorrentkredit entfällt, und man kann sogar seine eigenen Verbindlichkeiten unter Ausnutzung von Skonto verringern. Ob dieser Finanzierungsweg auch bei Dienstleistungen gangbar ist, sollte man mit der Factoring-Firma klären.
Beim stillen Factoring merkt der Debitor übrigens nicht, dass seine Forderung verkauft wurde. Sind die Debitoren als Sicherheit für einen Bankkredit abgetreten, ist eine Freigabe durch die Bank unerlässlich. Die Auszahlung aus dem Factoring kann zur Ablösung des Bankkredits genutzt werden, sodass die Sicherheiten freigegeben werden können.