Keine Pfiffe oder Becher, die mit ordentlich Wucht in den Innenraum des Berliner Olympiastadions fliegen. Stattdessen Applaus und Anerkennung. Mannschaft und Fans haben sich wieder lieb bei Hertha BSC. «Die Fans haben gesehen und honoriert, dass wir ein gutes Spiel gemacht haben. Das war ein Schritt in die richtige Richtung», sagte Mittelstürmer Florian Niederlechner nach dem torlosen Remis gegen den 1. FC Nürnberg. Der Hauptstadt-Club bewertet das Debüt von Trainer Stefan Leitl als Erfolg.
Ganz so berauschend, wie ein Großteil der Spieler den ersten Punktgewinn nach zuvor vier Niederlagen beschrieb, war der Auftritt vor Heimpublikum dann aber doch nicht. Oder sind die Ansprüche bei der Hertha, die weiter auf den ersten Heimsieg seit Oktober wartet, so drastisch gesunken?
Reese schwärmt: «Es ist lange her...»
Kapitän Fabian Reese, der zweimal die Führung auf dem Fuß hatte, sprach von einer deutlichen Leistungssteigerung. «Gegen den Ball war es mit unser bestes, wenn nicht unser bestes Spiel. Es war definitiv ein Riesenschritt. Wir hatten eine Mentalität auf dem Platz. Es ist lange her, dass mal ein Pressing so gut funktioniert hat im Olympiastadion», schwärmte der Flügelspieler von der starken Defensivleistung und kam zu dem Ergebnis: «Ich kann mich an kein Spiel erinnern, in dem der Gegner so ungefährlich war».
Zahlt sich der Trainerwechsel in Westend also aus? Ein Befreiungsschlag im Tabellenkeller der 2. Fußball-Bundesliga gelang Leitl bei seiner Premiere als Hertha-Coach zwar nicht. Die Handschrift des gebürtigen Münchners war aber nach lediglich drei Trainingseinheiten zu erkennen. Bei Ballverlusten agierten die Berliner mit viel Aufwand und gingen aggressiv in die Zweikämpfe. «Wir wollten aktiv sein. Wir wollten hohe Ballgewinne haben und ich denke, das ist uns gut gelungen», urteilte der 47-Jährige zufrieden.
Die Defensive steht. Was besser werden muss, ist das Spiel im letzten Drittel. Der letzte Pass wirkt oft nicht zwingend genug oder ist zu unsauber. Die wenigen Torabschlüsse sind zu unpräzise. Dass Leitl in Niederlechner einen klassischen Mittelstürmer von Beginn an brachte, verpuffte angesichts der wenigen Chancen.
Ernst wieder die Nummer 1 im Tor
Trotzdem: Die Intensität stimmte. Die Arbeitsmoral auch. Jeder Spieler wollte sich unter dem neuen Trainer beweisen und für weitere Einsätze empfehlen. Am meisten profitiert Tjark Ernst von dem Wechsel an der Seitenlinie. Ernst war 2024 die unangefochtene Nummer 1 im Hertha-Tor und hatte seinen Stammplatz im Januar an Marius Gersbeck verloren. Jetzt das Comeback.
Leitl verließ sich auf sein Bauchgefühl. «Mein Bauchgefühl hat mich bestätigt, weil Tjark eine souveräne Leistung hatte, auch wenn er nicht wirklich geprüft wurde», sagte der Trainer anerkennend und stellte klar: «Tjark spielt, solange er nicht gesperrt oder verletzt ist».
Auch Ernst sprach nach einem beschäftigungslosen Abend von einem Schritt nach vorne, der ihn zuversichtlich stimme. Doch der Schlussmann weiß auch: «Nichts ersetzt Siege». Vielleicht nächste Woche gegen Elversberg?