Berliner Sonntagsblatt: Mit Ihrer Erfahrung in der Bankenwelt und als Dozent an der Frankfurt School kennen Sie die Finanzierungsstrategien mittelständischer Unternehmen genau. Wie hat sich der Zugang zu Kapital für diese Firmen verändert, und welche typischen Fehler sollten sie in der Finanzierungsplanung vermeiden?
Jürgen Cojé: Entscheidend ist zunächst, welche Art von Kapital ein Unternehmen sucht: Fremdkapital, Eigenkapital oder Mezzanine-Kapital – letzteres meist als Darlehen mit Rangrücktritt.
Fremdkapital fließt in der Regel über Bankkredite. Ab Januar 2025 gilt Basel IV, das Banken zu höheren Eigenkapitalquoten verpflichtet. Die Höhe hängt von der Bonität des Kreditnehmers, also dessen Rating, ab. Auch Kreditlaufzeit und Sicherheiten spielen eine wichtige Rolle. Banken müssen ihr Eigenkapital schützen und zugleich Dividenden erwirtschaften. Das führt oft zu höheren Kreditkosten.
Ein zentrales Kriterium für das Rating ist die Eigenkapitalquote im Verhältnis zur Bilanzsumme. Ist diese zu niedrig, wird es schwer, bestehende Kredite zu halten oder neue zu bekommen. Hier hilft eine kluge Finanzierungsplanung. Da die Aktivseite der Bilanz durch die Passivseite finanziert wird, beginnt alles mit der Entwicklung der Unternehmenswerte. Investitionen und Umsatzsteigerungen erhöhen die Aktivposten. Höhere Umsätze bedeuten meist mehr Vorräte und Forderungen, die sich anhand historischer Daten planen lassen.
Ohne langfristige Planung drohen Probleme. Eine Finanzplanung sollte mindestens fünf Jahre umfassen. Viele Mittelständler verschlechtern ihr Rating unbewusst, wenn steigende Umsätze mit sinkenden Margen einhergehen und das Betriebsergebnis drückt. Eine detaillierte Analyse der Produktprofitabilität hilft, den Fokus auf margenstarke Geschäftsfelder zu legen. Vernachlässigt man dies, kann die Zusammenarbeit mit Banken leiden.
Neben der Strategie ist regelmäßiges Controlling unverzichtbar. Eine Planung mit drei Szenarien – Best Case, Normal Case und Worst Case – ist sinnvoll, reicht aber nicht. Unternehmen müssen die tatsächliche Entwicklung laufend überwachen und mit einem verlässlichen Controlling-Tool analysieren. Wir nutzen dafür ein System, das auf DATEV-Daten basiert und wertvolle Einblicke liefert.
Alternative Finanzierungswege und Rating-Optimierung
Um Bankkredite zu reduzieren und die Bilanz zu entlasten, bieten sich Alternativen an: Factoring für schnelle Liquidität, Asset-backed-Finanzierungen wie Sale-and-Lease-Back oder Sale-and-Miet-Back sowie Lieferantenfinanzierungen, um Kapitalbindung zu vermeiden.
Ein besseres Rating senkt meist die Kreditkosten. Banken bevorzugen es zudem, nicht nur als Kreditgeber zu agieren. Unternehmen sollten ihren Banken zusätzliche Ertragsquellen bieten, etwa durch Provisionsgeschäfte, Auslandstransaktionen oder den Zahlungsverkehr.
Eigenkapital und alternative Investoren
Benötigt ein Unternehmen Eigenkapital, kann ein Gesellschafterdarlehen mit Rangrücktritt eine Lösung sein. Je nach Gestaltung lassen sich die Zinsen steuerlich absetzen.
Steht auf Gesellschafterebene kein Kapital bereit, kommen private Investoren oder strategische Partner infrage. Auch hier unterstützen wir Unternehmen beratend.