Experten sehen Radikalisierungsgefahr nicht nur bei Flüchtlingen

Experten sehen Radikalisierungsgefahr nicht nur bei Flüchtlingen
Die Gefahr einer islamistischen Radikalisierung betrifft Experten zufolge nicht nur Flüchtlinge. "In unseren Beratungsstellen zur Deradikalisierung sind geflüchtete Menschen eher weniger Thema", sagte Thomas Mücke vom Violence Prevention Network (VPN) den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Mittwochausgaben). "Wir beraten vor allem radikale Islamisten und deren Familien, die hier aufgewachsen sind, und helfen ihnen beim Ausstieg aus der extremistischen Szene." Junge männliche Flüchtlinge mit "schwieriger bis aussichtsloser Bleibeperspektive", bei denen zudem soziale Isolierung sowie psychische Faktoren wie eine Traumatisierung eine Rolle spielten, seien anfällig für eine Radikalisierung, sagte der Islamwissenschaftler Kaan Mustafa Orhon den Zeitungen.
"Die zweite Gruppe, die wir beobachten, sind radikalisierte Jugendliche, die hier aufgewachsen sind." Direkte Kontakte in die dschihadistische Szene spielten den Experten zufolge eine weitaus größere Rolle als Inhalte im Netz, wie etwa Video-Propaganda. "Menschen werden selten durch Videos und Chats im Internet allein radikalisiert", sagte Mücke. "Es gab vorher Berührungspunkte zu einer islamistischen Szene, das Internet verstärkt die Ideologie nur." Auch Orhon verweist auf Bedeutung persönlicher Kontakte. "Der einsame Einzeltäter, der allein in der Unterkunft sitzt und nächtelang auf dem Handy islamistische Videos guckt, sich radikalisiert und dann zur Tat schreitet und einen Anschlag begeht, ist eher die Ausnahme", sagte der Experte von der Deradikalisierungsberatung Grüner Vogel. Ein wichtiger Faktor für die Radikalisierung sei der direkte Kontakt in die gewaltbereite Islamistenszene, entweder in der realen Welt oder über Chatgruppen im Netz. In der Regel gebe es Führungspersonen, die etwa in Syrien, im Irak, Afghanistan oder Zentralasien sitzen und mögliche Attentäter in Deutschland anleiten und beraten. "Es wird gefährlich, wenn ein junger Mann offen ist für die Ideen der Extremisten, psychische Probleme hat, seine persönliche Situation ausweglos erscheint, und dann von einem direkten Kontakt beim IS zu einer Gewalttat motiviert wird", sagte Orhon. Dies könnte auch bei dem Attentäter von Solingen der Fall gewesen sein.

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