Experte: Auch Jecken und Narren müssen sich an Regeln halten

Experte: Auch Jecken und Narren müssen sich an Regeln halten. Bild von Ben Kerckx auf Pixabay

Alaaf, Helau, Narri-Narro – oder wie auch immer der regionale Karnevals-Ruf lautet: Mit Altweiber am Donnerstag, wo oft ausgelassen gefeiert wird, beginnt für viele die schönste Zeit des Jahres. Aber Vorsicht: Es gibt durchaus ein paar Regeln, an die sich auch die Jecken und Narren halten müssen. ARAG Experten Tobias Klingelhöfer mit einem Überblick über durchaus ernste Regeln in jecken Zeiten.

Die Karnevalswoche beginnt vielerorts mit der Weiberfastnacht am Donnerstag um 11.11 Uhr. Dürfen Schüler und Arbeitnehmer dann einfach den Stift fallenlassen und feiern gehen?
Tobias Klingelhöfer:
Faschingstage wie Altweiber, wie die Weiberfastnacht ja auch heißt, Rosenmontag oder Aschermittwoch sind in keinem Bundesland gesetzliche Feiertage. Es besteht also Schulpflicht bis zum Ende des Schultages. Allerdings endet an manchen Schulen der Unterricht an Altweiber bereits um 11.11 Uhr. Und viele Schulleitungen in den Karnevalshochburgen legen sogar einen ihrer beweglichen Ferientage auf einen der Karnevalstage. Wer schon im Berufsleben steht und an Weiberfastnacht um 11.11 Uhr im Büro auf den Beginn der jecken Karnevalstage anstoßen möchte, darf das nicht so ohne weiteres. Denn ein Arbeitnehmer muss grundsätzlich arbeitsfähig sein. Ob und wie Karneval gefeiert wird und ob Alkohol generell verboten ist, hängt von den individuellen Vereinbarungen im Unternehmen ab. Eine Ausnahme kann vorliegen, wenn eine sogenannte betriebliche Übung besteht. Das heißt, wenn Beschäftigte an Rosenmontag regelmäßig freigestellt wurden, kann daraus ein Anspruch entstehen. Wer kein Risiko eingehen möchte, dem rate ich, möglichst frühzeitig Urlaub zu beantragen. Denn dass der aus betrieblichen Gründen abgelehnt wird, ist in der närrischen Zeit eher unwahrscheinlich.

Auf ins Getümmel: Worauf sollten Besucher eines Karnevalsumzugs achten?
Tobias Klingelhöfer:
Vor allem auf die fliegenden Süßigkeiten. Denn wer beispielsweise von einer Kamelle, also einem Bonbon oder einer Pralinenschachtel getroffen und verletzt wird, hat keinen Anspruch auf Schadensersatz. Denn das Schmeißen dieser Kamelle ist sozusagen Brauchtum, damit üblich und auch nicht rücksichtslos. Da muss man schon selbst aufpassen.

Aber es gibt auch andere Gefahren, vor denen ich nur warnen kann. Es kommt leider im Karneval immer wieder zu strafbaren Übergriffen, Taschendiebstählen und sexuellen Beleidigungen. Allein in Köln gab es im letzten Jahr weit über 400 Taschendiebstähle, fast 600 Körperverletzungen und knapp 30 sexuelle Belästigungen. Und niemand muss sich von anderen belästigen, bedrängen oder anfassen lassen. Das gilt auch an Karneval und sogar für das beliebte Karnevalsbützchen, das rheinische Küsschen. Zudem häufen sich Fälle, in denen heimlich K.o.-Tropfen verabreicht werden. Von daher gilt: Immer das Getränk im Blick und am besten in der Hand behalten. Vor Übergriffen kann man sich auch mit einem Schrill-Alarm wehren. Das ist ein Taschen-Alarm, der extrem laut schrillt, wenn er durch Knopfdruck aktiviert wird. Pfefferspray ist in Menschenmengen hingegen kein guter Begleiter, weil man damit unbeabsichtigt auch Unbeteiligte verletzen kann.

Was ist, wenn im Karneval fotografiert wird und man Gefahr läuft, abgelichtet zu werden?
Tobias Klingelhöfer:
Wer fotografiert und dieses Foto dann veröffentlicht und verbreitet, muss sich grundsätzlich die Einwilligung des Abgelichteten einholen. Denn das sogenannte ‚Recht am eigenen Bild‘ gehört zum Persönlichkeitsrecht von jedem Menschen. Doch es gibt Ausnahmen, zum Beispiel wenn beim Karnevalsumzug oder bei einer Sitzung Fotos der feiernden Menge gemacht werden und einzelne Personen darauf nicht direkt erkennbar sind. Dann braucht der Fotograf diese Einwilligung nicht. Das heißt, wer an Karneval loszieht, muss damit rechnen und leben, fotografiert zu werden.

Während des Straßenkarnevals achten Menschen nicht immer auf unsere Gesetze. Was ist denn beim Feiern gar nicht erlaubt?
Tobias Klingelhöfer:
Wildpinkeln, um es einmal salopp zu formulieren. Denn ein Recht auf Notdurft gibt es nicht: Urinieren in der Öffentlichkeit ist eine Ordnungswidrigkeit, die einen mehrere Tausende Euro kosten kann, wenn man dabei erwischt wird. Und wer dann auch noch wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses angezeigt wird, was durchaus möglich ist, muss sogar mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr rechnen. Übrigens: Auch auf Sex in der Öffentlichkeit sollte man am besten verzichten. Das ist ebenfalls eine Ordnungswidrigkeit, die mit hohen Geldbußen geahndet werden kann.

Und noch etwas ganz Karneval-typisches ist verboten: Wer an Altweiber fremde Krawatten abschneidet, folgt nicht nur einem alten Brauch – sondern kann von den Herren mit gekürzter Krawatte auch auf Schadensersatz verklagt werden – Tradition hin oder her. Also besser nachfragen, bevor die Schere zum Einsatz kommt, sonst hat der kurze Schlips unter Umständen ein längeres zivilrechtliches Nachspiel.

Darf man an Karneval zu Hause die große Sause starten?
Tobias Klingelhöfer:
Wie bei Silvester, zu Geburtstagen oder sonstigen Feiern in den eigenen vier Wänden gilt: Wer Nachbarn hat, sollte die Party immer vorher ankündigen oder im Voraus ein paar Ohrstöpsel verteilen, damit es keinen unnötigen Ärger gibt. Aber ansonsten darf an Karneval eine Polonaise durchs Wohnzimmer durchaus mal mehr als 70 Dezibel laut sein. Allerdings gelten – selbst wenn es in den Karnevalshochburgen manchmal etwas lockerer gehandhabt wird – auch hier die gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten zwischen 22 und 6 Uhr. Gastwirte hingegen müssen an diesen besonderen Tagen lautstark singende oder gar grölende Gäste ertragen und dürfen sie nicht so einfach aus der Kneipe rauswerfen.

Worauf muss ich bei der Wahl meiner Verkleidung achten?
Tobias Klingelhöfer:
Am Arbeitsplatz können Kostüme verboten sein, wenn es eine zwingende Kleiderordnung gibt, wie z. B. im Gesundheitswesen oder in Hotels. Problematisch werden können auch Gesichtsmasken, mit denen man nicht mehr richtig hören und sehen kann. Wenn man sich damit hinters Steuer setzt und in einen Unfall verwickelt wird, kann ein Zehn-Euro-Knöllchen drohen. Darüber hinaus sind Verkleidungen, die einer echten Uniform ähneln, grundsätzlich erboten. Dafür können Karneval-Fans wegen Titel- und Amtsmissbrauchs belangt werden. Und auch das Tragen von täuschend echt aussehenden Waffen ist laut Waffengesetz verboten. Gummi-Dolche und Plastik-Äxte sind aber kein Problem.

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