Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke hält die geplante zusätzliche Unterrichtsstunde für Lehrer für notwendig – auch wenn die Kritik dagegen zunimmt. «Ich glaube aber, dass wir, wenn wir die Qualität in den Schulen verbessern wollen, uns schon fragen müssen, warum in Brandenburg ein Lehrer eine Stunde weniger pro Woche vor einer Klasse steht als in Berlin», sagte der SPD-Politiker.
Woidke sieht die Pläne auch als Mittel gegen immer mehr Seiteneinsteiger, vor allem auf dem Land. «Wir haben heute schon in Berlin-ferneren Regionen 60 bis 70 Prozent Quereinsteiger in einer normalen Schule und wir können nicht zulassen, dass dieser Anteil in Zukunft auf 100 Prozent steigt», sagte er. «Deswegen ist es auch notwendig, dass hier die Lehrerinnen und Lehrer so weit von anderen Aufgaben befreit werden, dass sie diese eine Stunde länger in der Woche vor der Klasse stehen können.»
Unterrichtsstunde ist Teil von Einsparungen
In Brandenburg herrscht Lehrermangel. Die Lehrerinnen und Lehrer im Land sollen künftig eine Stunde mehr unterrichten, dafür aber von anderen Aufgaben entlastet werden. Bisher fallen an Grundschulen 27 Stunden pro Woche und an Oberschulen, Gesamtschulen und Gymnasien 25 Stunden pro Woche verpflichtend an. Mit einer Stunde mehr wäre das Niveau der Wochenstunden in Berlin erreicht.
Die zusätzliche Unterrichtsstunde – die zum zweiten Halbjahr des nächsten Schuljahres kommen soll – bringt Einsparungen in schwieriger Finanzlage. Sie soll nicht für Lehrer an Förder- und Berufsschulen sowie an sozialen Brennpunktschulen gelten.
Gewerkschaft rechnet mit vollen Klassen
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) befürchtet zunehmende Probleme in den Schulen. «Wir haben im nächsten Schuljahr 3.000 Schüler mehr im System», warnte der Landesvorsitzende Günther Fuchs. Damit würden die Klassen noch voller. «Normalerweise hätte man mehr Stellen zur Verfügung stellen müssen.»
Für das nächste und übernächste Schuljahr sind etwas weniger Stellen für Lehrkräfte im Doppelhaushalt des Landes geplant. Ein vorläufiger Einstellungsstopp wegen eines Kassensturzes hatte für zusätzliche Kritik gesorgt.
Landesschülerrat befürchtet Abschreckung
Die Schülerinnen und Schüler warnen davor, dass der Schritt potenzielle Lehrer verschrecken könnte, die dringend gebraucht werden. «Man macht damit den Beruf nicht attraktiver», sagte der Sprecher des Landesschülerrates, Stefan Tarnow, der dpa. «Das ist für uns aktuell die größte Sorge.» Er gehe auch nicht davon aus, dass die geplante Entlastung die zusätzliche Unterrichtsstunde voll ausgleichen werde.
Der Schülerratssprecher hält die Schulen für unterfinanziert. «Wir merken jeden Tag an den Schulen, dass das Geld hinten und vorn fehlt bei Personal und Ausstattung», sagte Tarnow. Er kritisiert auch eine fehlende Information des Ministeriums über die zusätzliche Unterrichtsstunde: «Die Kommunikation ist gescheitert.» Der 19-jährige Tarnow ist Schüler des Paul-Gerhardt-Gymnasiums in Lübben (Landkreis Dahme-Spreewald).